Stadtgefühl ist für viele ein Begriff, der die Atmosphäre und das Lebensgefühl in einer Stadt beschreibt. Oft geht es bei einem positiven Stadtgefühl um das für die Stadt einzigartige Stadtbild mit seinen Aufenthaltsmöglichkeiten und kulturelle Angebot. Auch die Dynamik des städtischen Lebens trägt zu einem bestimmten Lebensgefühl in der Stadt bei.
Gleichzeitig kann das Stadterleben für verschiedene Menschen ganz unterschiedlich sein. Beispielsweise ist das Stadtgefühl für Menschen, die in einem ruhigeren und grüneren Stadtteil wohnen, anders als für Menschen, die an Durchfahrtsstraßen wohnen. Stadtgefühl kann auch einen Mangel an Lebensqualität durch Hektik, Lautstärke und schlechte Luft oder auch fehlende Barrierefreiheit bedeuten.
Wo wird das Stadtgefühl besonders positiv erlebt? Und wo nicht?
In Marburg gibt es einige Orte, mit denen die meisten Menschen wohl ein positives Stadtgefühl verbinden würden. Da wäre zum Beispiel der Friedrichsplatz, mit seinem zentralen Brunnen, dem begrünten Platz mit Sitzgelegenheiten und einem beliebten Cafe in der Nähe. Hier spielen Kinder, andere ruhen sich auf den Bänken oder dem Rasen aus oder halten angeregte Unterhaltungen.
In Marburg gibt es aber auch Orte, die wohl eher mit einem negativen Stadtgefühl verbunden werden. Da wären zum Beispiel die durch die Stadt verlaufenden Landes- und Kreisstraßen, die es auf um die 10 000 PKW am Tag bringen. Lautstärken von über 75 Dezibel in Wohngebieten (das ist so laut wie ein Staubsauger; Lärmspitzen sind hier nicht berücksichtigt) sind die Folge. Die Luft riecht nach Abgasen.
Hier bedeutet Stadtgefühl inbesondere für diejenigen, die hier wohnen, nachts nicht durchschlafen zu können. Hier wird kaum jemand unbesorgt sein Kind spielen lassen, kaum jemand käme auf die Idee, sich an diesen Orten länger aufhalten zu wollen.
Gehören gesundheitsschädigender Lärm, schlechte Luft und mangelnde Aufenthaltsqualität in einigen Bereichen zwingend zu unserer Stadt?
Nein, das tun sie nicht. Die über Jahrzehnte auf das Auto als Hauptverkehrsmittel zentrierte Stadtplanung und Verkehrspolitik hat bewirkt, dass einige Teilbereiche unserer Stadt dem Anspruch, allen Menschen in Marburg ein gesundes, lebenswertes Umfeld zu ermöglichen, entgegenstehen.
Wir brauchen also eine zukunftsgerichtete, moderne Ausgestaltung unserer Mobilität, damit alle Marburger*innen ein positives Stadtgefühl mit einer hohen Lebensqualität haben können.
Wie soll das mithilfe von MoVe35 erreicht werden?
Move35 ist ein gesamtstädtisches Verkehrskonzept, in dem der Straßenraum neben seiner Funktionalität auch als Lebensraum der Menschen anerkannt wird. In einem ganzen Paket an durchdachten und aufeinander abgestimmten Maßnahmen wird der Straßenraum umgestaltet werden.
So soll mehr Begrünung im Sommer Schatten spenden und das Mikroklima und die Luftqualität verbessern. Helle Oberflächen, im Gegensatz zu asphaltierten Flächen, reflektieren das Licht und verringern die Hitzeentwicklung. Sitzgelegenheiten werden zum Verweilen einladen. Viele Querungsmöglichkeiten sowie eine barreierefreie Ausgestaltung wird die Straßen beleben.
Move35 soll den Anteil der Wege mit dem Umweltverbund (ÖPNV, Rad- und Fußverkehr) unter anderem auf diese Weise um 50 % steigern, während der Anteil der Wege mit dem PKW um 50 % sinkt. Die Belastungen durch Lärm werden dadurch reduziert und es wird bewirken, dass Kinderspiel, Erholung und ein entspannter Plausch mit den Mitmenschen nicht nur auf einige Teilbereiche der Stadt beschränkt bleibt. Auch andere Bereiche sollen Raum der Begegnung und Interaktion für alle Menschen werden, ganz gleich ob sie jung oder alt sind oder Behinderungen haben. Ein Ja zum Bürgerentscheid bedeutet ganz klar auch ein Ja zu einem positiven Stadtgefühl für alle!
Zum Nachlesen:
Endbericht – MoVe35 Mobilitäts- und Verkehrskonzept 2035; aufrufbar unter: https://www.marburg.de/portal/seiten/move-35-marburg-bewegen-900002325-23001.html