Blick von dem Berg Kirchspitze auf die Elisabethkirche

Im Auto

Mit Move35 soll die Mobilität in Marburg so gestaltet werden, dass sie den Anforderungen unserer modernen Gesellschaft Rechnung trägt. Dies bedeutet, dass alle Verkehrsteilnehmenden mit ihren unterschiedlichen Fortbewegungsmitteln und unterschiedlichen Bedürfnissen Beachtung finden und Belange des Gesundheits- und Umweltschutzes einen Stellenwert in der Verkehrsplanung bekommen.

Deshalb soll durch Move35 erreicht werden, dass die Hälfte der momentan mit dem Auto zurückgelegten Wege künftig mit dem Umweltverbund (ÖPNV, Fuß- und Radverkehr) oder auch als geteilte Fahrt bestritten werden können.

Nur mit einer spürbaren Verlagerung auf klimafreundliche und platzsparende Mobilitätformen kann Marburg seine Klimaschutzziele erreichen, die Kernstadt von Lärm und Abgasen entlasten1, die Unfallzahlen senken2 und Raum für Aufenthaltsqualität und Klimawandelanpassungsmaßnahmen schaffen3. Zugleich soll die Erreichbarkeit der Stadt für alle BürgerInnen gesichert sein.

Wie lässt sich dieses Ziel erreichen?

Move35 ist ein gesamtstädtisches Konzept, welches die Wechselwirkungen und Interaktionen zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmenden in die Planung miteinbezieht. Es gibt keine Einzelplanungen für ein Verkehrsmittel, sondern einen Gesamtplan für alle. Jede Teilplanung hängt mit der Planung in anderen Bereichen zusammen.

Dabei wird der Raum in der Kernstadt so gestaltet, dass er allen Menschen in Marburg über alle Alterspannen eine unkomplizierte Mobilität bei hoher Aufenthalts- und Lebensqualität bietet.

Was bedeutet das für Autofahrende?

Maßnahmen, die den Autoverkehr betreffen, zielen zum Beispiel auf die Entlastung der Kernstadt durch das Umlenken von durchfahrenden Autos auf die B3 und eine Verlagerung des Parkens in Parkhäuser ab.

Autofahrende, welche zuvor die Hauptstraßen als Durchfahrtstrecke genutzt haben, werden über eine geänderte Verkehrsführung auf die B3 umgelenkt. Die B3 verbindet dabei die Nord-Süd-Achse Marburgs und bietet genug Raum, um die durchfahrenden Autos, sog. „Durchgangsverkehre“, aufzunehmen. Ihr Verlauf ist insbesondere hinsichtlich Gesundheitsbelastungen deutlich weniger konfliktträchtig als die Straßen der Kernstadt, da sich hier nur wenig Wohnbebauung befindet. Fast alle Straßen in Marburg bleiben weiterhin problemlos mit dem Auto erreichbar (zu den Veränderungen in den einzelnen Stadtvierteln unten mehr).

Das Parken in Marburg soll in bestehende Parkhäuser, auf Parkplätze und neu zu bauende Quartiersparkhäuser verlagert werden. Dadurch kann die Anzahl der Parkplätze am Straßenrand stufenweise reduziert werden. Gleichzeitig werden komfortable Alternativen zur Nutzung des eigenen Autos geschaffen, sodass der Bedarf an Parkplätzen ohnehin abnimmt.

Im Straßenraum werden aber weiterhin Parkplätze vorhanden sein, dort soll von Besucher*innen vorzugsweise nur noch für kurze Dauer geparkt werden. Besondere Berücksichtigung finden die Belange von Menschen mit Behinderungen, Pflege- und Lieferdiensten und Handwerksbetrieben bei der Detailplanung der Parkplatzsituation. Ihnen soll in jedem Fall ausreichend Parkraum im Straßenraum zur Verfügung stehen (auch zur Planung des Parkens unten mehr).

Bei all dieses Maßnahmen gilt: Move35 ist ein Rahmenkonzept. Bevor es zur Umsetzung kommen kann, wird die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen, also die Detailsplanung, unter Beteiligung der Menschen in den jeweiligen Vierteln erarbeitet.

Nordviertel

Entlastung der Biegen- und Deutschhausstraße

Durch die Neugestaltung der Verkehrsführung im Nordviertel werden Wohn- und Aufenthaltsbereiche effektiv vom Durchgangsverkehr entlastet. Diese werden auf die weniger kritische B3 umgeleitet. Die Umleitung auf die B3 führt dabei nur zu geringen Zeitverlusten für Autofahrer*innen von wenigen Minuten. Mit diesem geringfügigen Mehraufwand können Autofahrende den Menschen, welche sich in dem Viertel aufhalten oder dort wohnen, eine erhebliche Entlastung von Lärm und Abgasen ermöglichen!

Zusätzlich schafft die neue Verkehrsführung Raum für den Ausbau von Radwegen, die Beschleunigung des Busverkehrs und die Schaffung breiterer Fußgänger*innenwege im Viertel.

Kernstücke dieser Umgestaltung sind eine neue Verkehrsführung in der Biegenstraße und Deutschhausstraße sowie des Firmaneiplatzes. Ein Teil der Biegenstraße und die Deutschhausstraße werden zu Einbahnstraßen in Richtung Norden bzw. Westen umgestaltet. Fußgänger*innen, Radfahrer*innen und Nutzer*innen des öffentlichen Nahverkehrs haben weiterhin Zugang in beide Richtungen.

Durch die Umleitung des Durchgangsverkehrs von Norden auf die B3 entsteht Raum für eine Nahmobilitätsachse für Rad- und Fußverkehr sowie für eine Beschleunigung des Busverkehrs. Dies führt zu einer erheblichen Lärmentlastung für die Anwohnerinnen und Anwohner, macht den Aufenthalt in diesen Straßen für alle angenehmer und erleichtert es, auch ohne Auto mobil zu sein.

Die Aufwertung des Firmaneiplatzes ist eine wichtige Maßnahme zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität und Verkehrssicherheit im Nordviertel. Als zentraler Ort in der Stadt in direkter Nähe der Elisabeth-Kirche zieht der Firmaneiplatz nicht nur Tourist*innen an, sondern auch zahlreiche Studierende, da sich in der Nähe viele universitäre Einrichtungen befinden. Auch hier wird eine Einbahnstraße eingerichtet, um den Straßenraum übersichtlicher und verkehrsberuhigter zu gestalten. Auch soll auf einer kleinen Strecke die Geschwindigkeit auf 20 km/h begrenzt werden. Durch die Neugestaltung wird nicht nur die Gefahrenstelle für Fußgänger*innen entschärft, sondern es entsteht auch ein attraktiver Aufenthaltsbereich im Umfeld der Elisabeth-Kirche.

Südviertel

Mehr Raum für Begegnung

Im Südviertel wird mit einer neuen Verkehrsführung eine spürbare Verkehrsberuhigung angestrebt. Die Lebens- und Aufenthaltsqualität für AnwohnerInnen und BesucherInnen wird sich dadurch deutlich verbessern. Fußgänger*innen und Radfahrenden soll ein Vorrang gegenüber dem Autoverkehr eingeräumt werden. Dadruch soll der Straßenraum verstärkt zur Begegnungsfläche werden.

Was ist hier für den Autoverkehr geplant?

Der Verkehr im Südviertel soll in Schleifen organisiert werden. D. h., dass die einzelnen Straßen des Wohngebiets von den Hauptstraßen angefahren werden können und Autos auch wieder auf diese zurückgeleitet werden. Dadurch ist eine direkte Durchfahrt des Südviertels (z. B. von nord nach süd) nicht mehr möglich und die einzelnen Straßen des Wohngebiets werden nicht mehr zur Durchfahrt genutzt. Dabei bleiben fast alle Wohnstraßen (s.u.) weiterhin über das Hauptstraßennetz völlig problemlos mit dem Auto erreichbar.

Die Umsetzung des „Schleifensystems“ wird durch die Einrichtung weiterer Einbahnstraßen sowie sog. „Diagonalsperren“ an Kreuzungen erreicht. Diagonalsperren lassen an einer Kreuzung den Fuß- und Radverkehr hindurch, während der Autoverkehr auf die Hauptstraße zurückgeleitet wird.

Insbesondere der Bereich um den Friedrichsplatz wird von einer neuen Verkehrsführung profitieren. Der Friedrichsplatz ist bereits heute Treffpunkt von Anwohner*innen und Spielplatz für Kinder. Dank der Verkehrsberuhigung können Kinder und Erwachsene diesen Ort künftig völlig entspannt zu Fuß oder mit dem Rad erreichen.

Was ist noch für das Südviertel geplant?

Eine der wenigen Straßensperrungen für den Autoverkehr ist für einen 180 Meter langen Abschnitt der Straße „Am Grün“ geplant. Durch die Umgestaltung des Verkehrs entlang von „Am Grün“ und der Frankfurter Straße kann hier eine Nahmobilitätsachse eingerichtet werden, die Fußgänger*innen, Radfahrerenden und Nutzer*innen des öffentlichen Nahverkehrs künftig ein schnelles und komfortables Vorankommen auch südlich der Alten Universtität ermöglicht (s. auch Beitrag „Radverkehr“).

Da Ausweichmöglichkeiten in die parallele Universitätsstraße vorhanden sind, wird die Sperrung des Teilabschnitts von „Am Grün“ zu kaum spürbaren Zeitverlusten für Autofahrende führen. Auch die Zufahrt zu den großen Parkhäusern im Viertel bleibt wie gewohnt bestehen.

Im Südviertel können Autofahrende durch einen geringen Mehraufwand die Lebensqualität der im Viertel wohnenden und sich dort aufhaltenden Menschen erheblich verbessern!

Ockershausen

Mehr Sicherheit für Schulkinder

In Ockershausen werden in zwei Bereichen gezielte Maßnahmen ergriffen, um die Verkehrssituation zu verbessern und Konflikte zu lösen. Diese Bereiche sind die Stiftstraße und die Leopold-Lucas-Straße.

In der Leopold-Lucas-Straße, die mehrere Schulen beherbergt, besteht Handlungsbedarf, da der zeitweise starke Verkehr besonders zu Schulbeginn und -ende die Sicherheit der Schüler*innen im Straßenraum gefährdet. Eine zeitweise Sperrung für Autos während dieser Zeiten soll die Verkehrssicherheit erhöhen. Busse sowie Rad- und Fußverkehr können weiterhin passieren. Mit diesem Vorgehen konnten bereits in anderen Städten wie Fürth, Köln und Frankfurt am Main Schulstraßen sicherer gemacht und die eigenständige Mobilität von Schüler*innen zur Schule erhöht werden.

In der Stiftstraße klagen Nutzer*innen und Anwohner*innen über eine hohe Verkehrsbelastung. Langfristig ist geplant, einen Abschnitt der Stiftstraße unter Einbeziehung der Bürger*innen neu zu gestalten. Dabei stehen die Bedürfnisse der Anwohner*innen, der Geschäfte, die Sicherheit der Schulwege und die Barrierefreiheit im Mittelpunkt.

Es wird ein sog. „Shared-Space-Konzept“ vorgeschlagen, das einen gemeinsamen Straßenraum für alle vorsieht. Unter diesem Konzept kann man sich einen verkehrsberuhigten Bereich vorstellen, den weiterhin alle Verkehrsteilnehmenden (auch Autos) passieren können. Dadurch kann die Verkehrsbelastung gesenkt und die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden erhöht werden, ohne die Verkehrsführung wesentlich zu ändern. Zusätzlich sollen die schmalen Gehwege im Bereich der Stiftstraße zum Bachweg bereits kurzfristig verbreitert werden.

Parkraum

Mehr öffentlicher Raum in der Innenstadt durch gebündeltes Parken

Derzeit beanspruchen Parkplätze einen erheblichen Teil des öffentlichen Raums in Marburgs Innenstadt, was zu einem Mangel an Flächen für andere Zwecke führt. Die öffentlichen Straßen sind dabei oft bereits durch das Parken überlastet, während in Parkhäusern und auf Parkplätzen noch ausreichend Parkraum vorhanden sind.

Dieser Umstand soll mit Move35 genutzt werden: In Zukunft wird das Parken in der Kernstadt schrittweise in die zentralen Parkhäusern verlagert, wobei die Zufahrt zu den Parkhäusern auch weiterhin völlig problemlos möglich ist.

Ein Großteil der Innenstadt liegt innerhalb eines 300-Meter-Fußwegs von den Parkhäusern entfernt. Auch Einzelhandel und Gastronomie bleiben so mit dem Auto weiterhin gut erreichbar.

Gibt es weiterhin Parkplätze auf den Straßen?

Ja. Das Parken im Straßenraum soll – ähnlich wie bei vielen Supermärkten heute – für Besucher*innen allerdings nur für kurze Zeiträume (2 h) gestattet sein, um den „Umsatz“ – also die Anzahl der Parkvorgänge/Zeit – pro Parkplatz zu erhöhen. So haben mehr Menschen die Chance, einen Parkplatz für kurze Besorgungen in der Innenstadt zu bekommen!

Besondere Berücksichtigung finden die Belange von Menschen mit Behinderungen, Pflege- und Lieferdiensten und Handwerksbetrieben bei der Detailplanung, die in den Vierteln stattfinden wird. Ihnen soll in jedem Fall ausreichend Parkraum im Straßenraum zur Verfügung stehen.

Und wenn ich länger parken möchte?

Für längere Aufenthalte wird vermehrt auf Park-and-Go/Park-and-Ride Parkplätze gesetzt. Park-and-Go Parkplätze befinden sich in einer fußläufigen Entfernung von 1.000 Metern zur Innenstadt, während Park-and-Ride Parkplätze gut an den öffentlichen Verkehr angebunden sind. Zusätzlich sollen diese durch ein Angebot an Leihfahrrädern ergänzt werden.

Wie sieht das für Anwohner*innen aus?

Wo es möglich ist, wird das Parken für Anwohner*innen in örtlichen Quartiersparkhäusern stattfinden. So wird auch das Parken für Anwohner*innen verstärkt zentralisiert und öffentlicher Raum frei. Da nicht alle Anwohner*innenparkplätze in Quartiergaragen verlagert werden können, wird auch weiterhin ein Teil des Anwohner*innenparkens im Straßenraum stattfinden.

Die Nachfrage nach Parkraum in Straßen, Parkhäusern und am Stadtrand wird durch Parkgebühren reguliert. Das Parken am Stadtrand soll günstiger sein als in Parkhäusern, während das Parken im Straßenraum teurer ist. Wer die Kosten des Parkens in der Stadt scheut, kann also die günstigere Option wählen, die durch die parallele Umsetzung von weiteren Maßnahmen (z. B. Anbindung durch ÖPNV und Leihräder) auch gleichzeitig komfortabel sein wird. Grundsätzlich gilt, dass dort, wo der Druck auf den öffentlichen Raum am höchsten ist, die Nutzung durch das Parken auch stärker bepreist wird.

In der Verkehrsforschung ist man sich einig, dass eine klimafreundlichere Mobilität nur durch das Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen erreicht werden kann, dazu gehört auch eine bessere Nutzung des begrenzten Straßenraums und eine geringere Bevorteilung des Auto gegenüber anderen Arten der Fortbewegung.4 Move35 als gesamtstädtisches Rahmenkonzept erkennt diese Herausforderung an und setzt darauf, durch ein koordiniertes Zusammenspiel von Maßnahmen in verschiedenen Bereichen das Nutzen des Umweltverbundes attraktiver zu gestalten und so den Umstieg vom Auto auf andere Verkehrsmittel zu erleichtern. Gleichzeitig sollen die Maßnahmen im Autoverkehr zumutbar sein und das Erreichen aller Bereiche in der Stadt weiterhin mit dem Auto möglich sein.

So kann der unbedingt notwendige Schritt in Richtung einer zukunftsorientierten und nachhaltigen Mobilität gemeistert werden. Daher stimmen wir mit „ja“ beim Bürger*innenentscheid!

Zum Nachlesen:

Endbericht – MoVe35 Mobilitäts- und Verkehrskonzept 2035; aufrufbar unter: https://www.marburg.de/portal/seiten/move-35-marburg-bewegen-900002325-23001.html

Quellen:

  1. Informationen zur Lärmbelastung in Marburg: Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie – LärmViewer Hessen. Aufrufbar unter: https://laerm.hessen.de/mapapps/resources/apps/laerm/index.html?lang=en ↩︎
  2. Infos zu Unfallzahlen in Marburg: Zwischenbericht Mobilitäts- und Verkehrskonzept 2023 MoVe35 vom 28.08.2020. Abrufbar unter: https://www.marburg.de/portal/seiten/move-35-marburg-bewegen-900002325-23001.html ↩︎
  3. Informationen zur Klimawandelanpassung in Marburg: Handlungskonzept Klimaanpassung – Maßnahmen zur Verbesserung des Stadtklimas und zur Starkregenvorsorge in Marburg. Aufrufbar unter: https://www.marburg.de/portal/seiten/an-die-folgen-des-klimawandels-anpassen-900002717-23001.html ↩︎
  4. ↩︎