Der ÖPNV ermöglicht eine umweltfreundliche Mobilität für Menschen jeden Alters und ist schon heute unverzichtbar für die Mobilität in Marburg. Aktuell beträgt der Anteil des ÖPNV an den zurückgelegten Wegen in Marburg 15%, bis 2035 soll sich dieser Anteil auf 23% erhöhen. Damit dies gelingt, soll der ÖPNV mit MoVe35 zu einem Mobilitätsangebot werden, das in Sachen Komfort und Schnelligkeit mit dem Auto mithalten kann.
Die Verkehrspolitik der letzten Jahrzehnte hat sich stark auf das Auto als Hauptverkehrsmittel konzentriert, sodass es nun eine sehr bequeme und flexible Mobilität bietet, wenngleich es einige Nachteile wie hohe Umwelt- , Gesundheits- und auch Unterhaltskosten hat.12 Der Umweltverbund und damit auch der ÖPNV sind dadurch als Mobilitätsoption ins Hintertreffen geraten. Um den ÖPNV zum Auto konkurrenzfähig zu machen, sind eine ganze Reihe von Maßnahmen vorgesehen.
Wie soll der ÖPNV verbessert werden?
Zum Beispiel wird es einen 30-Minuten-Takt oder auch kürzere Taktung im Stadtgebiet und auch in umliegende Stadtteile geben. Das bedeutet eine deutliche Taktverdichtung. Außerdem dürfen sich die Menschen in Marburg über fast im Ganzen Stadtgebiet fußläufig erreichbare Bushaltestellen (d. h. im 300 Meter Radius) freuen, die dazu noch barrierefrei sein werden.
Die Maßnahmen enden aber nicht bei einer Taktverdichtung und einer besseren Erreichbarkeit der Bushaltestellen. Besonders die Fahrtdauer ist Entscheidend für die Attraktivität des ÖPNV. Auch das addressiert Move35: Um die Fahrtzeit zu verkürzen wird – zusätzlich zum regulären Busbetrieb – ein Schnellbussystem eingeführt werden.
Schnellbusse haben weniger Zwischenhalte und sind bestens geeignet, wichtige Pendelziele oder Anschlusspunkte zu bedienen. Insbesondere die Behringwerke, Görzhausen I+II oder wichtige Achsen wie die Nord-Süd-Achse zwischen Wehrda und Cappel mit direkter Anbindung an die Bahnhöfe sind da zu nennen. Aber auch Park-and-Ride-Parkplätze werden durch sie angefahren, sodass Menschen, die dort parken, bequem und schnell nach Marburg kommen, ohne sich mit dem Auto durch den Trubel des Stadtverkehrs bewegen zu müssen.
Wie aber die Schnellbuslinie schnell und den regulären Busverkehr attraktiver machen, wenn Busse im Stau stehen?
Der Busverkehr wird gegenüber dem Autoverkehr priorisiert werden. Das bedeutet, dass Busse, wo möglich, eigene Fahrspuren erhalten, durch geschickte Schaltungen an Ampeln bevorzugt werden. Auch sollen Busse Strecken befahren dürfen, die dem Umweltverbund – also auch Fuß und Radverkehr – vorbehalten sind (z. B. Am Grün, Deutschhausstraße). Maßnahmen zur Busbeschleunigung sind also untrennbar mit der Umsetzung der Maßnahmen zum Autoverkehr verknüpft!
Weitere neues Angebote: Ridepooling und Regio-S-Bahn
Neben Schnellbussen wird der reguläre Busverkehr auch durch weitere Angebote wie das Ridepooling ergänzt werden. Beim Ridepooling können auf bestimmten Strecken flexibel Kleinfahrzeuge gerufen werden, die – bei ähnlichem Fahrtwunsch – weitere Menschen über kleinere Umwege an bestimmten Orten abholen. Das bedeutet, dass man sich eine Mitfahrgelegenheit ruft und dann an Ort und Stelle abgeholt wird, um direkt am Ziel abgesetzt zu werden. Besonders an Stellen oder zu Zeiten, an denen sich der Einsatz eines großen Busses nicht lohnt, wird Ridepooling trotzdem umweltfreundliche Mobilität möglich machen.
In MoVe35 werden aber auch ganz langfristige Perspektiven beleuchtet: So wird die Machbarkeit eines Bahnhaltepunkts Marburg Mitte und einer Regio-S-Bahn überprüft werden, die das Umland mit höherem Takt und weiteren Haltestellen anbindet. Das ist besonders wichtig, um auch Pendler*innen aus dem Umland eine nachhaltige Mobilität zu ermöglichen. Es wird sich also langfristig einiges ändern, aber auch kurz- und mittelfristig wird sich die Erreichbarkeit der Kernstadt mit dem ÖPNV erheblich verbessern!
Mit dem ÖPNV elektrisch unterwegs: Emissionen senken, Komfort erhöhen
Die Umstellung der Busflotte auf strombetriebene Antriebe markiert einen entscheidenden Fortschritt, um den ÖPNV in Marburg nachhaltiger und komfortabler zu gestalten. Neben Elektrobussen soll in Marburg zukünftig ein BOB (Batterie-Oberleitungs-Bus) für Streckenbereiche eingesetzt werden, die schon heute stark genutzt werden und gleichzeitig wegen ihrer Topographie reine Elektrobusse an ihre Grenzen bringen können.3
Gleichzeitig erhöhen Oberleitungsbusse wegen der gleichmäßigeren Fahrweise den Fahrkomfort. Zudem können mit dem BOB in hügeligem Gelände mehr Menschen befördert werden.3 Diese Vorteile werden im Ringverkehr zwischen den Lahnbergen, den Bahnhöfen und der Kernstadt erfahrbar werden und so den Marburger*innen eine komfortable, nachhaltige Mobilität zu diesen wichtigen Orten ermöglichen.
Verknüpfte Mobilität: Den ÖPNV optimal mit anderen Mobilitätsangeboten verbinden
Ein hochwertiger öffentlicher Nahverkehr bildet das Herzstück einer nachhaltigeren Mobilität in und um Marburg. Doch erst im Zusammenspiel mit Fuß-, Rad- und Autoverkehr kann er sein volles Potential ausschöpfen und für alle Menschen optimal genutzt werden!
Um den öffentlichen Nahverkehr nahtlos mit anderen Fortbewegungsmitteln zu verknüpfen und das Beste der unterschiedlichen Mobilitätsformen zu kombinieren, sollen die Maßnahmen im Straßenraum durch ein flächendeckendes, stadtweites Netz an Mobilstationen ergänzt werden. An Mobilstationen werden sämtliche wichtigen Mobilitätsdienste gebündelt, um einen einfachen Zugang zu ihnen mit minimalem Zeitaufwand zu gewährleisten.
Was sind Mobilstationen?
An zentralen Knotenpunkten wie dem Hauptbahnhof und dem Südbahnhof werden sichere Fahrradabstellmöglichkeiten geschaffen, Ladestationen für E-Bikes installiert und Hol-und-Bring-Zonen eingerichtet werden. Zusätzlich werden Leihmöglichkeiten wie Carsharing und Nextbike eingerichtet werden, um die Vielfalt weiter zu erhöhen.
Als konkretes Beispiel soll der Südbahnhof dienen: Er wird ein neues Eingangsgebäude, eine barrierefreie Gestaltung mit Aufzügen und ein neues Brückenbauwerk über B3 und die Schienen bekommen. Die Wichtigkeit dieses Knotenpunktes wird damit endlich deutlich. Die Ergänzung durch eine Mobilstation, die auch Park-and-Ride integriert, rundet das Angebot ab und verbessert die Anbindungsmöglichkeiten zusätzlich.
Wie kann all das erreicht werden?
Eine schnellere Busverbindung, verbesserte Taktung und ein komfortabler Umstieg auf andere Verkehrsmittel durch die Zusammenführung von Mobilitätsdiensten an wichtigen Knotenpunkten in der Stadt – all diese Maßnahmen streben danach, eine breite Palette an Mobilitätsmöglichkeiten anzubieten und diese bestmöglich zu verknüpfen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind alle Elemente des MoVe35 erforderlich! Denn Busse können nur schneller werden, wenn sie eigene Busspuren und Vorrang haben. Angenehmes Zufußgehen ist nur möglich, wenn die Umgebung ruhig ist und ausreichende Überwege vorhanden sind. Sicheres Radfahren wird durch gut ausgebaute Radwege gefördert, und Carsharing gewinnt an Attraktivität, wenn es in unmittelbarer Nähe verfügbar ist.
Der ÖPNV kann also nur seine Vorteile entfalten, wenn MoVe35 als umfassendes Gesamtkonzept umgesetzt wird! Daher stimmen wir mit „ja“ beim Bürger*innenentscheid!
Zum Nachlesen:
Endbericht – MoVe35 Mobilitäts- und Verkehrskonzept 2035; aufrufbar unter: https://www.marburg.de/portal/seiten/move-35-marburg-bewegen-900002325-23001.html
Quellen:
- Gössling, S., Choi, A., Dekker, K., & Metzler, D. (2019). The social cost of automobility, cycling and walking in the European Union. Ecological Economics, 158, 65-74. ↩︎
- Gössling, S., Kees, J., & Litman, T. (2022). The lifetime cost of driving a car. Ecological Economics, 194, 107335. ↩︎
- Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (2018): Teilstudie „Machbarkeitsstudie von HO-Busverkehr in Deutschland – am Beispiel Marburg und Trier“ Berichtsteil Marburg. Aufrufbar unter: https://www.marburg.de/allris/vo020?VOLFDNR=15660 ↩︎