Zu Fuß

Das Zufußgehen ist die natürlichste und einfachste Form der Fortbewegung. Sie ist so alltäglich, dass sich wohl die wenigsten Menschen bewusst machen, dass auch dies eine Form der Mobilität ist und sie damit VerkehrsteilnehmerInnen sind. Zufußgehen ist insbesondere für Gruppen wie Kinder, Ältere und Menschen mit Mobilitätseinschränkungen eine eigenständige und selbstbestimmte Form der Mobilität.

Es ist kostenlos, verursacht weder Schadstoffe noch Lärm, hat neben dem Radfahren den höchsten Gesundheitsnutzen und eine hervorragende Klimabilanz.1,2 Darüberhinaus trägt reger Fußverkehr zur Belebung und Attraktivität der Stadt bei, was wiederrum Standortvorteil für Handel, Dienstleistungen und Tourismus ist.1,2 Trotz all dieser Vorteile wurde diese wichtige Art der Mobilität in den letzten Jahrzehnten der Verkehrsplanung oft vernachlässigt.2,3

Marburg hat bereits jetzt einen hohen Anteil an Zufussgehenden (32% aller Wege werden zu Fuß zurückgelegt). Allein 10000 Menschen wohnen in fußläufiger Erreichbarkeit um die Kernstadt mit deren Zielen des täglichen Bedarfs.4 Dies zeigt, dass jetzt schon für viele Marburger*innen das Zufußgehen relevanter Teil ihrer Mobilität ist.

Gibt es dann überhaupt noch Verbesserungsbedarf?

Die klare Antwort darauf lautet: Ja!

Mit Move35 soll der Anteil der Wege, welche zu Fuß zurückgelegt werden, auf 36% erhöht werden. Ziel ist nicht nur eine sichere, gesundheitsfördernde Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen, eine attraktive, lebenswerte Stadt, sondern auch das Einhalten der Klimaziele, welche sich die Stadt Marburg gesteckt hat.5

Zudem kennen wohl die meisten Marburger*innen Orte, an denen der Gehweg so schmal ist, dass man nicht nebeneinander gehen kann oder man auf die Straße ausweichen muss, wenn jemand entegegenkommt. Ampelschaltungen haben teils lange Wartezeiten. Querungsmöglichkeiten sind begrenzt und manchmal gehen Gespräche im Lärm unter oder die Luft riecht nach Abgasen. Oftmals bemerken wir diese Probleme nicht einmal. Vielleicht, weil das Zufußgehen möglicherweise keinen hohen Stellenwert für uns hat, weil wir an die Situation gewöhnt sind, oder weil wir schlicht nicht daran denken, dass sich etwas verbessern könnte.

Welche Verbesserungen soll es für Fußgänger*innen geben?

Das Handlungfeld Fußverkehr von Move35 wird die Situation für alle Marburger*innen verbessern. Es umfasst die Oberziele Stärkung des Umweltverbundes, Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Raums, Erreichbarkeit (insbesondere die Naherreichbarkeit) und Barrierefreiheit (Siehe Endbericht4).

Marburg soll seine Bewohner*innen und Besucher*innen einladen, sich aktiv fortzubewegen. Ein breiter Fußweg, kühlendes Stadtgrün, die ein oder andere Bank sowie eine ruhige Umgebung mit sauberer Luft laden dazu ein. Ein direkter Weg zum Ziel ohne Umwege oder umständliche Querung von stark befahrenen Straßen ist ebenfalls Teil davon und stärkt insbesondere die selbstständige Mobilität von Senior*innen, Menschen mit Behinderung, Kindern und Jugendlichen.

Es gibt also noch viel zu tun. Die gute Nachricht ist, dass Marburg mit seiner kompakten Stadtstruktur beste Voraussetzungen hat, um mit der Umsetzung von Move35 mehr Menschen zum Gehen zu motivieren.

Move35 sieht neben der Aufwertung von relevanten Fußwegen im Stadtgebiet auch die Aufwertung und den Ausbau von Fußwegen zwischen den Stadtteilen vor. Dabei werden die Empfehlungen der FGSV (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V) angewendet, die Mindestwegebreiten vorsehen.6 Ein Hauptfußweg hat eine Breite von 3 Metern, ein Nebenweg eine Breite von 2,5 Metern. Eine kleine Gruppe von Menschen könnte so miteinander, statt hintereinander flanieren!

Ein weiterer zentraler Bestandteil ist eine Nahmobilitätsachse, welche Südbahnhof, Oberstadt und Hauptbahnhof verbindet und ein sicheres und schnelles Erreichen dieser Ziele zu Fuß oder per Fahrrad allen Bevölkerungsgruppen ermöglichen soll.

Durch die Sperrung eines kleinen Stücks des „Am Grün“ für den Automobilverkehr wird auch hier der Raum umverteilt. Dies eröffnet die Chance komfortable Fuß- und Radwege anzulegen, welche neben einer hohen Aufenthaltsqualität durch Sitzgelegenheiten, Begrünung und auch Spielgelegenheiten ein schnelles Vorrankommen ermöglichen. Die Fahrtzeiten für PKW-NutzerInnen, welche zuvor „Am Grün“ als alternative Route zur Universitätsstraße wählten, erhöht sich übrigens laut Modellberechnungen kaum!

Wie auch bei den übrigen Umgestaltungen der Fußwege ist aber auch hier eine die Maßnahmen begleitende BürgerInnenbeteiligung angedacht.

Woher nun aber den Platz für breitere Fußwege und eine attraktivere Stadt nehmen?

Da der Straßenraum in Marburg durch die enge Tallage begrenzt ist, ist es nur durch eine Umverteilung des verfügbaren Platzes möglich, Fußwege zu verbreitern und attraktiv zu gestalten. Zurzeit werden 42 % der Wege in Marburg mit dem Auto zurückgelegt. Mit Move35 soll erreicht werden, dass 21 % (also 50%) dieser Fahrten auf den Umweltverbund und damit auf eine platzsparende, gesundheitsfördernde und klimafreundlichere Mobilität verlagert werden.

In der Verkehrsforschung ist man sich einig, dass eine klimafreundlichere Mobilität nur durch das Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen erreicht werden kann, dazu gehört auch eine bessere Nutzung des begrenzten Straßenraums.7 Move35 als gesamtstädtisches Rahmenkonzept erkennt diese Herausforderung an und setzt darauf, durch ein koordiniertes Zusammenspiel von Maßnahmen in verschiedenen Bereichen einen bedeutenden Schritt zur Stärkung des Fußverkehrs und somit in Richtung einer zukunftsorientierten und nachhaltigen Mobilität zu machen. Daher stimmen wir mit „ja“ beim Bürger*innenentscheid!

Zum Nachlesen:

Endbericht – MoVe35 Mobilitäts- und Verkehrskonzept 2035; aufrufbar unter: https://www.marburg.de/portal/seiten/move-35-marburg-bewegen-900002325-23001.html

Quellen:

  1. World Health Organization. (2022). Walking and cycling: latest evidence to support policy-making and practice. Aufrufbar unter: https://iris.who.int/handle/10665/354589 ↩︎
  2. Zukunftsnetz Mobilität NRW (2018): Fußverkehrs-Checks- Leitfaden zur Durchführung. Aufrufbar unter: https://www.zukunftsnetz-mobilitaet.nrw.de/media/2022/5/16/39f16ca9607135d81daf06003a7444d0/znm-leitfaden-fussverkehrs-check.pdf ↩︎
  3. Büttner A. & Weber, M. (2019): Fußverkehr ist gut für Mensch und Umwelt – und ist im Aufwind! Aufrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/4031/publikationen/buettner_fussverkehr.pdf (Aufgerufen am 01.04.2024) ↩︎
  4. Endbericht – MoVe35 Mobilitäts- und Verkehrskonzept 2035. Aufrufbar unter: https://www.marburg.de/portal/seiten/move-35-marburg-bewegen-900002325-23001.html ↩︎
  5. Beschluss der Stadtverordneten – Stadt Marburg ruft den Klimanotstand aus (Aufgerufen am 01.04.2024): https://www.marburg.de/portal/meldungen/stadt-marburg-ruft-den-klimanotstand-aus-900005503-23001.html?bereich=1&rubrik=900000004Klimaaktionsplan Marburg: https://www.marburg.de/portal/seiten/klima-aktionsplan-2030-900002392-23001.html ↩︎
  6. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2022): Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen – EFA. Köln. ↩︎
  7. Sommer, C., Briegel, R., Harz, J., & Reiserer, M. (2022). Strategien zur Einhaltung der Klimaschutzziele im Verkehr. Nahverkehr, 40(5). Aufrufbar unter: https://www.uni-kassel.de/fb14bau/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=2504&token=2ce7ee90b87237b9f9c8f14609629e3f4dad0a41 ↩︎